Page:Die Lais der Marie de France, hrsg. Warnke, 1900.djvu/40

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XXII Einleitung. Anzahl von ungleiclien, abweichend voneinander gebauten Versen bestehen, die Form der alten bretonischen Lais erhalten, so dass also der Inhalt der bretonischen Lais die französischen erzählenden Lais, ihre Form aber die französischen lyrischen Lais veranlasst hätte. Da indessen die keltischen Litteraturen nach H. Zimmers freundlicher Mitteilung derartige ungleich gebaute Lieder nicht kennen, so ist der auf den ersten Blick gewiss bestechenden Hypothese die notwendige Stütze entzogen. Es scheint überhaupt nicht, als ob die lyrischen Lais, die nach der gewöhnlichen Annahme mit den Descorts identisch sind und aus den lateinischen Sequenzen stammen, mit den epischen etwas anderes als den Namen gemeinsam gehabt haben. Rirch- Hirschfeld glaubt freilich einen formellen Unterschied zwischen lai und descort gefunden zu haben, indem er für das Lai ganze oder teilweise Gleichheit der Schluss- und Anfangsstrophe konstatiert. Doch ist dies Argument, so weit ich sehe, nicht sicher, und genügte auch, wenn es sicher wäre, nicht, um daraus einen vom Descort verschiedenen Ursprung der lyrischen Lais zu folgern. Einige der lyrischen Lais haben nun zwar Titel, die mit Bezeichnungen von erhaltenen oder auch nicht erhaltenen epischen Lais übereinstimmen ; aber auch dieser Umstand kann, glaube ich, nicht besonders ins Gewicht fallen. Lieder von Aeliz, wie ein lyrisches Lai und ein im Lai de l’Esp., V. 180, erwähntes Lai benannt ist, gab es viele ; ebenso lag der Titel Zwei Liebende, den ein lyrisches Lai und ein episches Lai bei Marie tragen, sehr nahe, wie denn auch ein zweites Lai in den Strengleikar so benannt wird ; das lyrische Lai vom Chievrefueil steht trotz aller gegenteiligen Ver- sicherungen (die Berner Hs. schreibt es Tristan zu) bei seiner ganz verschiedenartigen Pointe kaum mit Maries Erzählung und dem Harfenlied, das dieser zu Grunde lag, in Beziehung. Die Bezeichnung lai für die lyrischen Lieder ergab sich von selbst, sobald einmal bei den bretonischen Lais die Melodie die Hauptsache wurde, sobald dieselben, wie H. Suchier treflfend sagt, Konzertstücke wurden ; •) vielleicht ist aber auch ^) So auch G. Paris, Rom. XIV, 605 : D’autre part, l’expression de lai, avec un sens musical et par lä mcme rhythniique, entra daus la langue de l’art des musiciens et des poetes et se raaintint, niais en modifiaut le seus, jusqu’au XVII" »e siecle.