Page:Die Lais der Marie de France, hrsg. Warnke, 1900.djvu/102

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LXXXIV Anmerkungen zu reichen Leute der Umgegend sprechen oft im Kloster vor, um die schöne Nichte der Aebtissin zu sehen und sich mit ihr zu unterhalten. Auf keinen aber macht sie einen tieferen Eindruck als auf Gurun, den Herrn von Dol. Oftmals besucht er sie, und viele Geschenke wendet er dem Kloster zu, nur um sie zu sehen. Er gewinnt endlich ihre Liebe und überredet sie, um dem voraussichtlichen Zorn der Aebtissin vorzubeugen, mit ihm zu gehen. Fraisne folgt ihm in sein Schloss, indem sie die Decke und den Ring, die einst bei ihr gefunden waren, mitnimmt. Auch im Hause des Geliebten gewinnt sie schnell aller Herzen. (323 — 398) Nur eins können ihr die Leute Guruns nicht verzeihen : sie ist doch nur das Kebsweib ihres Herrn und hat zudem diesem auch keinen Erben geschenkt. Sie bestimmen endlich den Ritter sich zu verheiraten und schlagen ihm selber ein reiches Mädchen, Haselstaude (Ja Coldre), vor. Als Fraisne von der geplanten Heirat hört, ändert sie keines- wegs ihr freundliches Verhalten ; sie gewinnt sogar die Zu- neigung der Mutter der Braut, die zuerst von ihrer Anwesenheit für ihre Tochter fürchtet, dann aber, als sie ihr bescheidenes liebreiches Wesen sieht, ein Gefühl des Bedauerns und des Mitleids nicht unterdrücken kann. (399 — 462) Die Hochzeit wird gehalten. Am Abend geht Fraisne in das Schlafgemach des jungen Paares, um zu sehen, ob das Hochzeitsbett auch nach Gebühr hergerichtet ist. Die Decke des Lagers ist alt und, wie ihr scheint, der Neuvermählten unwürdig ; sie lässt die Decke, die man einst bei ihr fand, holen und breitet sie über das Bett aus. Hier findet sie die Mutter der Braut, die ihre Tochter in das Schlafgemach geleitet. Sie lässt Fraisne holen, und als sie deren Geschichte gehört und auch den Ring gesehen hat, kann sie nicht mehr zweifeln, dass es ihre Tochter ist, die sie einst hat aussetzen lassen. (462 — 532) Reuevoll gesteht sie ihrem Gemahl ihr Vergehen. Dieser verzeiht ihr und freut sich, dass ihm so die Tochter wiedergegeben ist. Am nächsten Tage wird die Ehe vom Erzbischof von Dol, der sie geschlossen hat, wieder getrennt, und Gurun heiratet Fraisne, während Coldre mit den Eltern in die Heimat zieht, um dort die Frau eines reichen Mannes zu werden.] [Zu dem Lai vgl. W. Hertz, Spielmannsbuch 2, S. 400 ff., Ahlström S. 98 if. und F. J. Child, The English and Seottish