Page:Die Lais der Marie de France, hrsg. Warnke, 1900.djvu/144

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CXXVI Anmerkungen zu Ein Königssohn kommt heimlich als Vogel (Taube, Sperling, Adler) zu einem schönen Mädchen geflogen und nimmt, sobald er bei ihr ist, seine wahre Gestalt an ; er wiederholt seine Besuche, bis er auf Veranstaltung der Schwestern oder der Mutter oder Grossmutter seiner Geliebten, die das Verhältnis entdeckt haben, bei seiner Ankunft, noch in Vogelgestalt, schwere Verwundungen durch Messer oder zerbrochenes Glas oder Dornen erleidet und in sein Königreich zurückfliegt. Seine Geliebte zieht aus, ihn aufzusuchen, erfährt unterwegs, wie seine Wunden geheilt werden können, gelangt zu ihm und macht ihn gesund. — Man sieht, diese Märchen stehen dem Lai noch näher als das Märchen der Gräfin d’Aulnoy, insofern auch in ihnen, wie im Lai, der Held die Vogelgestalt nach Belieben annehmen und ablegen kann. [Auch in einer irischen Geschichte des 14. Jahrhunderts, über welche A. Nutt, Folklore- Journal II, 87, handelt, kommt der König in Gestalt eines Vogels zu seiner Geliebten.] Es giebt nun noch andere Märchen, die im übrigen als Varianten der aufgezählten anzusehen sind, in denen aber der Held nicht Vogelgestalt annimmt, um zu seiner Geliebten zu gelangen, und auf die ich, weil sie somit unserm Lai ziemlich fern stehen, hier nicht eingehe. Man findet sie zum Teil von E. Cosquin in der Romania X, 122 — 24 besprochen. [= Contes pop. de Lorraine II 221 ff.] Laüstic. [Inhalt : (6 — 56) In S. Malo lebten zwei Ritter. Der eine von ihnen hatte eine schöne und kluge Frau genommen. Diese gewann der andere, ein Junggeselle, lieb, und bald erwiderte auch die Dame seine Neigung. Beide liebten sich in allen Ehren : sie beschränkten sich darauf, von den Fenstern ihrer Häuser, die nahe aneinander lagen, sieh zu sehen und sich zu sprechen. (57 — 120) Frühling wurde es, und mehr denn je fühlten die beiden die Macht der Liebe. Oft erhob sieh die Dame nachts von der Seite ihres Gemahls, um ans Fenster zu treten und mit dem Geliebten zu sprechen. Endlich schöpfte der Gatte Verdacht und fragte sie unmutig nach dem Grunde ihres Aufsteheus. ’Die Nachtigall singt so schön, antwortet die Dame, dass ich ihrem Gesang lauschen muss und keinen Schlaf finden kann,’ Der Ritter lächelt voll arger List. Er lässt